Offline?! - Kommunikation ganz ohne moderne Technik, ein Beispiel aus der Antike

Wir tun es ständig und selbstverständlich in Echtzeit. Wir telefonieren, mailen, smsn oder whatsAppen. Kommunikation heißt heute: immer, überall, ohne zeitliche Verzögerung. Sogar jene, die sich noch an Zeiten ohne Internet und Smartphone erinnern können (ja, auch ich zähle dazu), stehen heutzutage vor der Frage: Wie hat das früher nur funktioniert? Eine spannende Frage. Vor allem, wenn man nicht nur Jahrzehnte, sondern gar Jahrhunderte zurückblickt.

Total vernetzt
Es ist nicht lange her, da war unsere Welt scheinbar noch eine ganz andere. Bis Mitte der 1990er Jahre funktionierte das Leben auch ohne Internet und Handy. Computervermittelte Kommunikation war Sache einiger weniger Nerds. Mobiltelefone waren unhandliche Kästen, die kaum ein gewöhnlicher Durchschnittsmensch mit sich herumschleppte.
Heute, nur ein paar Jahrzehnte später, ist alles anders: Wir kommunizieren ständig, überall und natürlich in Echtzeit. Zumindest in der „Westlichen Welt“, der Rest zieht rasch nach.
Die „totale Vernetzung“ geht außerdem weit über unser Privatleben hinaus. Gesellschaft, Politik und Wirtschaft sind heute eingebettet in globale Systeme. Und damit abhängig von (schneller) Kommunikation, erst sie macht unsere moderne Welt in dieser Form möglich. Eine verlässliche und rasche Nachrichtenübermittlung ist allerdings nicht erst heute unabdinglich für Wirtschaft und Handel, für Verwaltung und ein funktionierendes Staatswesen. Wie also hat der Mensch das früher bewerkstelligt?

Hermes&Co
Die Antwort ist einfach und zunächst wenig überraschend: Durch Boten. Schon die griechischen Götter bedienten sich ihrer, Hermes der Götterbote verkündete die Botschaften des Zeus. Boten, kann man sagen, sind eine universelle und jahrtausendealte Lösung des Nachrichtenproblems.

Allerdings ist Botensystem nicht gleich Botensystem. Vor allem die Übermittlung drängender Nachrichten über große Entfernungen verlangt nach mehr, als nur einem einfachen Laufburschen, der bei Bedarf auf den Weg geschickt wird. Dazu braucht es ein ausgeklügeltes, effizientes System – eines wie wir es etwa im antiken Rom finden.

Staatstragende Bedeutung
Anders als heute war der Transfer von Nachrichten damals nur zu einem geringen Teil eine private Angelegenheit. Die breite Masse der einfachen Bevölkerung hätte schriftliche Botschaften aber ohnehin weder verfassen noch lesen können. Natürlich können Botschaften auch mündlich weitergegeben werden, besser, weil verlässlicher, aber ist es, schriftliche Botschaften zu übermitteln. Dazu wiederum müssen Absender und Empfänger des Lesens und Schreibens mächtig sein – jahrtausendelang ein seltenes Privileg. Nur rund 10 % der Gesamtbevölkerung konnten, so schätzte man, in der Antike lesen und schreiben.

Für Regierung, Verwaltung, Militär und Politik aber war die verlässliche und effiziente Übermittlung von Nachrichten essentiell. Im Jahr 117 n. Chr. – zum Zeitpunkt seiner größten Ausdehnung – umfasste das Römische Reich eine Fläche von rund 5 Millionen km², durchzogen von einem 300 000 km langen Straßennetz, bewohnt von 65 Millionen Menschen. Dieses gewaltige Reich musste regiert, verwaltet, musste militärisch gesichert werden. Ein funktionierender Nachrichtentransfer, vom Herrschaftszentrum bis in die äußersten Provinzen, war dafür unerlässlich. Ohne ihn hätte dieses Reich niemals bestehen können.

Cursus Publicus
Um genau dies zu ermöglichen, schuf man den sogenannten Cursus Publicus. Zur Zeit der Republik (also im vorchristlichen Rom) kann man sich dieses System ähnlich einem Staffellauf vorstellen. An in regelmäßigen Abständen eingerichteten Stationen waren Boten (in der Regel Regierungssklaven) positioniert, die Nachrichten in Empfang nahmen, weitertrugen und an der nächsten Station an den nächsten Boten übergaben.
Diese Methode zur Nachrichtenübermittlung ist dabei jedoch keine römische Innovation: In Mesopotamien wurden bereits etwa 2 000 v. Chr. staatliche Halte- und Unterkunftsplätze für (berittene) Boten entlang der Hauptverbindungswege betrieben.

Allerdings erwies sich diese Lösung für die Römer mit der Zeit als unzulänglich, weil unzuverlässig. Kuriere, die Opfer von Überfällen wurden; unübersichtliche Verantwortlichkeiten; unwillige oder schleißige Boten – immer wieder erreichten Mitteilungen ihre Empfänger gar nicht oder erst zu spät.
Unter Kaiser Augustus, also in den ersten Jahrzehnten n.Chr., nahm man daher eine entscheidende und innovative Verbesserung vor: Nun wechselten nicht länger die Boten, sondern deren Transporttiere. Ein einziger Kurier überbrachte jetzt die Nachricht direkt vom Sender zum Empfänger, war sein Reittier erschöpft, konnte er es regelmäßig gegen ein frisches, ausgeruhtes Tier tauschen. Dazu wurden entlang der Hauptverkehrswege im Abstand von ca. 15 km sogenannte Mutationes (Pferdewechselstationen) und etwa alle 40 km Mansiones (Raststationen) angelegt.
Die Geschwindigkeit der Nachrichtenübermittlung wurde damit erheblich erhöht. Aber auch deren Zuverlässigkeit, da nun Aufgaben und Verantwortlichkeiten klar geregelt waren.

Selbstverständlich war aber nicht jede wichtige Botschaft zugleich auch eine besonders eilige. Daher waren bei weitem nicht alle Boten auf dem Cursus Publicus mit Pferden unterwegs: Nur besonders dringende Nachrichten wurden von berittenen Kurieren befördert. In Fällen von weniger drängenden Mitteilungen gingen die Boten schlicht zu Fuß, sie nützten die Raststationen zur Übernachtung, zur Erholung und Verpflegung.

Mehr als nur ein Nachrichtensystem
Im Laufe der Zeit entwickelte sich der Cursus Publicus – ähnlich der modernen Post – außerdem zu einem effektiven Transportsystem, durch das Güter aber auch Passagiere befördert wurden.
Reisende und Fuhrleute konnten an den Raststationen nächtigen oder Pausen einlegen, Zugtiere konnten versorgt oder getauscht werden. Auf diese Weise wurden etwa Steuergelder, Silber, Gold oder auch Ausrüstung für die Armee transportiert.

Nicht für jedermann
Trotzdem, der Cursus Publicus ist keine antike Version der heutigen Post: Er war eine staatliche Einrichtung und damit Regierung und Militär vorbehalten. Für die private Allgemeinheit war der Cursus Publicus nie gedacht. Nur wer über eine offizielle Genehmigung verfügte, durfte ihn nützen. Missbrauch und unberechtigte Nutzung wurden streng geahndet.

Warum der römische Staat so viel Wert auf Nutzungsbeschränkungen (und deren Überwachung) legte, wird verständlich, wenn man bedenkt, welch eine gewaltige Einrichtung der Cursus Publicus darstellte, welch enorme Ressourcen seine Erhaltung verschlang: Grundvoraussetzung war zunächst eine ausgezeichnete verkehrstechnische Infrastruktur, gewährleistet durch ein riesiges Netz an gepflasterten Straßen. Zum Zeitpunkt seiner größten Ausdehnung umfasste das Straßen-Netzwerk des Cursus Publicus so etwa 75 000 km. Entlang dieser Straßen fanden sich alle 15 bzw. 40 km die schon beschriebenen Wechsel- und Raststationen.
An jeder einzelnen dieser Stationen wiederum wurden zahlreiche Arbeitskräfte benötigt: Vom Stationsführer über Buchhalter, Tierärzte, Pferdeknechte, Maultierknechte, Wagenbauer für allfällige Reparaturen und Soldaten, die für Ordnung sorgten.

Frequenz und Geschwindigkeit
Abschließend sind es noch letzte zwei Fragen, die sich aufdrängen: Wie intensiv wurde der Cursus Publicus genützt? Und, wie lange brauchten diese Boten nun tatsächlich?
Einen Einblick in den Umfang, der auf diese Weise übermittelten Korrespondenz bietet der überlieferte Schriftwechsel zwischen Plinius – von 110 bis 112 n. Chr. Statthalter von Pontus-Bithynien – und Kaiser Trajan. Im Laufe von etwas weniger als zwei Jahren schrieb Plinius 61 Briefe aus der, an der Südküste des Schwarzen Meeres, in der heutigen Türkei gelegenen, Provinz an den Kaiser. 48 Mal erhielt er darauf Antwort.
Ein Durchschnitt von etwa zwei Briefen pro Monat aus Rom mag uns heute auf den ersten Blick nicht sonderlich viel erscheinen. Bedenkt man aber, dass Plinius nur ein Statthalter in einer der 53 römischen Provinzen war, und dass die Korrespondenz zwischen Kaiser und Statthalter nur einen kleinen Teil des gesamten Nachrichtenverkehrs ausmachte, lässt sie die durchaus beachtliche Menge an übermittelten Nachrichten erahnen.

Die Antwort auf die Frage nach der Geschwindigkeit der Boten hängt natürlich von einer Reihe unterschiedlicher Einflussfaktoren – wie etwa Jahreszeit oder Witterung – ab. Durchschnittlich aber schaffte ein Reiter, der seine Pferde hart antrieb und häufig wechselte, etwa 100 km pro Tag. Aber auch Spitzenwerte von 300 km pro Tag sind überliefert. Die 1 107 km lange Strecke von Rom nach Carnuntum konnte also von einem flotten Reiter in etwa 11 Tagen bewältigt werden.
Zu Fuß schaffte ein Bote zwischen 30 und 37 km pro Tag. Er hätte für die besagte Strecke also zwischen 30 und 37 Tagen benötigt.

Fazit
Dieser Exkurs in die Antike zeigt, wie ich finde, sehr eindrucksvoll, welch essentielle Bedeutung dem Nachrichtentransfer schon zur Zeit der ersten Großreiche zukam und beigemessen wurde. Und welch ausgeklügelte Lösungen dafür gefunden wurden.
Dieses Beispiel zeigt aber auch, dass das Leben einst tatsächlich ganz ohne all die modernen Technologien funktionierte, die uns heute so selbstverständlich und unerlässlich scheinen. Die Dinge funktionierten anders, sie funktionierten langsamer – aber sie funktionierten.

Lektüre zum Thema:

  • Anne Kolbe, Transport und Nachrichtentransfer im Römischen Reich. (Berlin 2009).
  • Cornelius von Tilburg, Traffic and Congestion in the Roman Empire. (London/New York 2007).

 

 

Martina Nothnagel