Wege zum Bitcoin – Von Tausch und Kupferbarren zu virtuellem Geld

Man sagt es regiert die Welt. Ganz selbstverständlich gehört es zu unserem Leben. Wir alle haben es, brauchen es. Wir alle hätten gerne mehr davon: Geld. Bitoins sind dabei der bislang letzte Schritt einer jahrtausendelangen Geschichte. Was heute selbstverständlich erscheint, waren einst revolutionäre Ideen und waghalsige Konzepte.

Leichtfüßig und bequem können wir heutzutage shoppen. Schleppen müssen wir höchstens auf dem Heimweg. Zwar sind Säcke voller Münzen längst Vergangenheit, aber auch unser papierenes Geld nehmen wir immer seltener tatsächlich in die Hand. Mein Arbeitgeber überweist mir mein Gehalt, ich überweise meinem Vermieter die Miete, zahle im Supermarkt mit Bankomatkarte oder kaufe überhaupt gleich online. Seit knapp zehn Jahren sind nun sogar rein virtuelle Gelder auf dem Vormarsch: Geld, das es physisch überhaupt nicht mehr gibt.

Virtuelles Geld – keine Geldberge mehr für Dagobert Duck
Bitcoin ist das erste und bislang erfolgreichste virtuelle Geld. Gemeinsam mit anderen, vergleichbaren digitalen Geldern (es gibt mittlerweile über 760 davon) stellt es die derzeit revolutionärste Innovation in der jahrtausendelangen Entwicklung des Geldes dar.

Zum Anfassen und in die Hand nehmen gibt es hier nichts mehr. Bitcoin und Co sind ausschließlich digital generierte und gehandelte Zahlungsmittel. Im Einklang mit der fortschreitenden Digitalisierung aller Lebensbereiche ist damit auch Geld noch einmal abstrakter geworden.
Und doch scheint virtuelles Geld zu überzeugen, sein Erfolg jedenfalls spricht für sich. 2008 wurde das Konzept von Bitcoin erstmals veröffentlicht, die Entwickler sind bis heute unbekannt. 2010 bestellte ein Programmierer in Florida zwei Pizzen, die er mit Bitcoins bezahlte. Das kostete ihn damals 10.000 Bitcoins. Heute, Stand 29.11.2017, entspricht 1 Bitcoin 8424,25 Euro (vor einem Monat waren es noch 4749,65 Euro). Damit gingen diese Pizzen nicht nur als erster Bitcoin-Einkauf, sondern auch als das wohl teuerste Lieferservice der Welt in die Geschichte ein.
Mittlerweile ist Bitcoin ein gängiges internationales Zahlungsmittel. Etwa 350.000 Transaktionen werden täglich weltweit via Bitcoin getätigt, immer weniger beschränken sich diese allein auf Internetgeschäfte. Auch in der realen Welt setzt sich das virtuelle Geld zunehmend als anerkanntes Zahlungsmittel durch. In Wien beispielsweise gibt es mittlerweile knapp 50 Akzeptanzstellen, darunter das Kunsthaus Wien, die Diesel´s Bar oder der Studenten-Shop Edustore. Das Wiener Museum für angewandte Kunst (MAK) war 2015 das weltweit erste Museum, das ein Kunstwerk mit Bitcoins erstand.

Bits aber keine tatsächlichen Coins
Generiert werden Bitcoins durch komplizierte Rechenprozesse, dem sogenannten Mining. Vereinfacht dargestellt funktioniert das folgendermaßen: Während eines bestimmten Zeitraums getätigte Bitcoin-Transaktionen werden in Listen, Blocks genannt, zusammengefasst. Diese Listen gewährleisten die Transparenz des Zahlungssystems (TeilnehmerInnen sind dabei jedoch stets anonym, Nutzer müssen zwar eine Bitcoin Adresse erstellen, aber nicht ihren realen Namen angeben) und sind zugleich die Basis für die Herstellung weiterer Bitcoins. Durch eine über komplexe Rechenprozesse erfolgende Verschlüsselung der Blocks werden neue Bitcoins hergestellt. Bitcoins werden also, sehr vereinfacht ausgedrückt, aus Daten zu in der Vergangenheit getätigten Transaktionen gewonnen. Wegen der dabei angewandten kryptologischen Verfahren, sprich Verschlüsselungen, auf denen sowohl die Wertschöpfung als auch das zugehörige digitale Zahlungssystem basieren, wird virtuelles Geld auch Kryptogeld genannt.
In größerem Umfang ist Mining jedoch mittlerweile nichts mehr, das zuhause gemütlich vom Notebook aus betrieben werden kann. Die benötigte Rechenleistung ist enorm und abgesehen von der erforderlichen Hardware machen vor allem Stromkosten den größten Kostenpunkt von umfangreichen Mining aus. Dafür gibt es professionell betriebene Mining-Framen, also Rechenzentren, die ihre Standorte in Abhängigkeit von Strompreisen wählen. In kleinerem Umfang ist Mining auch über Clouddienste möglich. Aber auch hier gilt, je größer die zur Verfügung gestellte Rechenkapazität, desto größer der ausgezahlte Anteil.

Geld oder Währung?
Vor allem Bitcoin wird häufig auch als Kryptowährung bezeichnet, was streng genommen nicht korrekt ist. Dabei verweist genau dieser ‚Fehler‘ auf einen der revolutionärsten Aspekte virtueller Gelder: Eine Währung ist eine vom Staat anerkannte und von der jeweiligen Zentralbank ausgegebene Geldart. Es ist die Zentralbank, die den Zahlungsverkehr innerhalb einer Nation organisiert und überwacht. Sie gibt Banknoten (der jeweiligen Währung) aus, überwacht das elektronische Zahlungssystem oder betreibt dieses sogar selbst. Ihren bedeutenden wirtschaftlichen Einfluss verdanken Zentralbanken der Schlüsselposition, die ihnen in der Konzeption und Umsetzung der Geld- und Währungspolitik zukommt. Sie haben damit beispielsweise die Macht das Zinsniveau im entsprechenden Staat zu steuern.
Genau das ist aber bei virtuellem Geld nicht der Fall, es wird eben nicht durch Regierungen verwaltet oder auch nur beeinflusst. Sowohl die ‚Herstellung‘ als auch sämtliche Transaktionen laufen dezentral über digitale Netzwerke ab.
Das wiederum ist so manchem Staat ein Dorn im Auge; Der Kreml beispielsweise plant schon einen vom Staat herausgegebenen und kontrollierten Kryptorubel einzuführen. In Österreich ist zumindest das Mining mittlerweile steuerpflichtig.

Wege zum Bitcoin
Wohin uns diese neuen, virtuellen Zahlungswege führen werden, muss sich erst noch zeigen. Fest steht: Virtuelles Geld, Kreditkarte, Devisen, Papiergeld, Münzen – die Möglichkeiten Geld zu besitzen, aufzubewahren und zu nützen sind heute mannigfaltig.

Wie aber kam es zu? Wie ist Geld entstanden und wie wurde es im Wortsinn immer unfassbarer? Die Antworten auf diese Frage reichen weit in die Urgeschichte der Menschheit zurück.

Tausch und Warengeld
Die Ursprünge der Geldwirtschaft reichen zurück bis in die Steinzeit, begonnen hat dabei alles mit dem Tauschen. Gemeinhin wird das Aufkommen der Tauschwirtschaft mit der sogenannten Neolithischen Revolution in Verbindung gebracht. Etwa um 7 000 v. Chr. gaben die Menschen in Mitteleuropa ihr Dasein als Jäger und Sammler auf (im Nahen Osten begann dieser Prozess bereits im 10. Jahrtausend v. Chr.). Sie wurden sesshaft, begannen Ackerbau und Viehzucht zu betreiben. Damit wiederum wurde Arbeitsteilung nötig; Der eine bestellt die Felder, der andere stellt Werkzeuge her – und dann wird getauscht. So kommt der Bauer zu seiner Axt und der Handwerker zu seinem Getreide.
Allerdings bringt das Tauschen auch unpraktische Nachteile mit sich: Will ich etwas tauschen, brauche ich einen Tauschpartner der zum richtigen Zeitpunkt genau das hergeben möchte was ich brauche und der braucht was ich habe. Je größer und komplexer eine Gesellschaft, je vielfältiger die Güter und Waren, desto schwieriger wird es passende Tauschpartner zu finden. Ein allgemein anerkanntes Zahlungsmittel, Geld also, kann dieses Problem lösen. Nunmehr übernimmt eine bestimmte Ware – etwa Gerste, Muscheln, Obsidian oder Edelmetalle – die Funktion eines allgemein anerkannten Tauschmediums. Ich kann nun alles mit Muscheln bezahlen und bekomme Muscheln für die Güter oder Dienstleistungen die ich verkaufe. (Ein anderes Beispiel, diesmal aus der jüngsten Vergangenheit, sind Zigaretten, die in Gefangenlagern während des Zweiten Weltkriegs als Tauschmedium verwendet wurden.) Damit wird der Handel flexibler und in größerem, auch weiträumigerem Umfang möglich.

Mit der Zeit setzten sich in Europa, aber auch dem Vorderen Orient, vor allem Edelmetalle als Warengeld durch. Schon im 3. Jahrtausend v. Chr. ersetzt Silber, meist in Form von Silberbarren, in Mesopotamien die Gerste als allgemeines Zahlungsmittel. In Mitteleuropa sind während der frühen Bronzezeit (ca. 2300 bis 2000 v. Chr.) ringförmige Kupferbarren weit verbreitet. Schriftliche Aufzeichnungen aus dieser Zeit haben wir nicht (es gab damals in Europa schlicht noch keine Schrift). Es ist allerdings bemerkenswert, dass sämtliche dieser Barren, egal von welchem Fundort, stets ein Gewicht von etwa 200 g haben. Ihr Gewicht war also offenbar genormt. Eine faszinierende Beobachtung, die unter anderem mit einer Funktion als Zahlungsmittel erklärt werden kann.
Ein ähnliches Phänomen ist, um ein weiteres Beispiel zu nennen, von den Kelten bekannt. Von zahlreichen keltischen Fundorten aus der Zeit ab etwa 500 v. Chr. sind Spitzbarren aus Eisen mit einem Gewicht zwischen 5,5 und 7,5 kg überliefert.

Münzen – noch ohne Bits
So praktisch das Konzept der Metallstücke oder -barren als Zahlungsmittel gegenüber dem Tausch auch ist, es bleiben Nachteile. Die Barren sind unhandlich, viele Metallstücke müssen bei jeder Transaktion gewogen werden, da sie nicht exakt gleich schwer sind. Dieses Problem behebt eine weitere Innovation: Münzgeld.  

Im 7. Jahrhundert v. Chr. treten Münzen im kleinasiatischen Königreich Lydien (in der heutigen Türkei) erstmals auf. Diese ersten Münzen bestanden aus Elektron, einer auch natürlich vorkommenden Legierung aus Gold und Silber, und waren mit einem Löwenkopf verziert. Materialwert und Gewicht der Münzen sind nun bereits durch die Prägung garantiert.

Das Konzept von Münzgeld erwies sich als überaus erfolgreich und setzte sich binnen kurzer Zeit in sämtlichen antiken Hochkulturen – von Mesopotamien über Griechenland bis hin zum römischen Reich – durch. Auch die bereits angesprochenen Kelten prägten ab etwa 300 v. Chr. Münzen.

Bloßes Papier
Überspringen wir nun einige Jahrhunderte der geld- und finanzwirtschaftlichen Entwicklungen, stehen wir vor einer weiteren faszinierenden Innovation: dem Papiergeld. Wie aber kommt man auf die Idee, simples Papier zu Geld zu machen?

In China gibt es erste Formen von Papiergeld schon im 11. Jahrhundert, im 12. Jahrhundert sind vom Staat ausgegebene Banknoten dort ein gängiges Zahlungsmittel. 500 Jahre später, im 17. Jahrhundert, kommt erstes Papiergeld auch in Europa auf. (1609 Amsterdam, 1661 Stockholm, 1694 England)

In seinem Ursprung ist Papiergeld zunächst nichts anderes als eine Quittung: Privates Vermögen – seien es Münzen, Juwelen, Gold oder andere Wertgegenstände – konnte bei Banken und Goldschmieden in Verwahrung gegeben werden. Wert und Umfang des Vermögens wurde durch Empfangsscheine quittiert.  Will man nun mit diesen Einlagen etwas kaufen, ist es deutlich praktischer einfach den Empfangsschein (im Grunde eine Zahlungsanweisung an den Goldschmied oder die Bank) weiterzugeben. Solange der auf dem Papier angeführte Betrag vollständig gedeckt ist, gibt es keinen Grund die Quittung anders als den ihr zu Grunde liegenden materiellen Wert zu betrachten. Genau wie bei virtuellen Geldern auch, ist hier der Tausch- und nicht der Gebrauchswert, d.h. der materielle Wert, bestimmend: Wichtig ist, wogegen ich meine Banknote tauschen kann und nicht der (minimale) Wert des Papiers aus dem sie besteht.
Diese ‚Erfindung‘ führte beinahe unmittelbar zur Entstehung erster zentraler Notenbanken. (Deren Macht und Monopol heute, wir haben bereits darüber gesprochen, durch virtuelle Gelder ernsthaft konkurrenziert wird.) Die ersten Zentralbanken des 17. und frühen 18. Jahrhunderts hatten dabei jedoch noch nichts mit staatlicher Geldpolitik zu tun. Sie waren vielmehr private Gesellschaften, die vom Staat das Monopol zur Ausstellung von Banknoten in einem bestimmten Gebiet erworben hatten.

Makes the world go round?
Vielleicht werden Bitcoin und Co sich als Meilensteine und revolutionärer Wendepunkt in der Geschichte des Geldes erweisen. Vielleicht werden sie das kurze Aufflackern einer kontroversen Idee bleiben. Eines aber steht fest: Geld hatte für uns Menschen immer schon immense Bedeutung. Seit unserer Urgeschichte erwiesen wir uns als überaus findig, wenn es ums Tauschen und Handeln ging. Ohne Geld wäre die Menschheitsgeschichte letztlich wohl auch reichlich anders verlaufen.

 Lektüre zum Thema:

  • Nial. Ferguson, The Ascent of Money. A Financial History of the World. (New York 2008)
  • Nils Herger, Wie funktionieren Zentralbanken? Geld- und Währungspolitik verstehen. (Wiesbaden 2016).
  •  Focus, Bitcoin Mining: www.focus.de/digital/praxistipps/bitcoin-mining-so-gehts_id_6570065.html
Martina Nothnagel