S` Christkindl kommt bald – Gedanken zur modernen Konsumgesellschaft

Wir leben in einer Konsumgesellschaft. Daran gibt es keinen Zweifel, egal wie man dazu stehen mag. Gerade in der sogenannten besinnlichen Vorweihnachtszeit wird das einmal mehr drastisch deutlich. Aus gegebenem Anlass einige Gedanken zu Zustand und Werdegang unserer modernen Konsumgesellschaft.

Auch wenn im Detail leicht unterschiedliche Definitionen dieses Begriffs kursieren, Fakt ist: Konsum bedeutet heute mehr als nur das Auskommen zu sichern. Konsum bedeutet mehr als nur den simplen ‚Ge- und Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen‘. Convers, Birkenstocks oder Manolo Blahniks? Konsum umfasst stets auch soziale Praktiken, Diskurse, Codes und Symbole, durch die wir den Dingen erst Sinn und Bedeutung verleihen. Wir kaufen nicht nur Dinge, wir kaufen Glück, Sinn und Lifestyle.
Konsumieren als identitäts- und sinnstiftendes Massenphänomen, ist selbstverständlicher Bestandteil unseres Alltags. Ist Zeitvertreib und Lebensphilosophie, ist ein Grundrecht, ja eine Voraussetzung für unser Glück.
Die Bedürfnisse, um deren Befriedigung Willen wir konsumieren, sind dabei aber nichts quasi Naturgegebenes. Was wir ‚brauchen‘ ist Definitionssache, individuell aber auch abhängig von Zeit und Zeitgeist. Überfluss (heute selbstverständlich) und Luxus (heute erwünscht) etwa wurden in Antike, Mittelalter und bis in die frühe Neuzeit als moralisch zweifelhaft angesehen.

Wer hat, der kann
Heute bestimmt ein einziger Faktor, was wir konsumieren (können): unsere finanziellen Möglichkeiten. Das aber war keineswegs immer so. Ist es ein Charakteristikum unserer modernen Konsumgesellschaft, dass im Grunde jeder Zugang dazu hat, so war persönlicher Konsum jahrhundertelang durch soziale Normen und Tradition streng reglementiert. Vom späten Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert beispielsweise bestimmten in Europa klare Kleiderordnungen wer sich wie zu kleiden hatte. Strenge Dress Codes gaben vor was Adelige, ehrbare Bürger, Prostituierte oder Bauern tragen durften bzw. mussten.
Ganz anders heute: Nicht der soziale Stand bestimmt wie ich mich kleide, ich muss vielmehr selbst entscheiden wie ich mich präsentieren möchte. Lediglich die Tiefe der Geldbörse schränkt die Auswahl für die meisten etwas ein.

Die Qual der Wahl
Vom Handymodell, über den Joghurttyp bis hin zum Yoga-Kurs. Es sind Millionen an Produkten und Dienstleistungen die uns heute zur Verfügung stehen. Konsumentscheidungen sind wahrlich keine leichten.
Das war früher einfacher. Bis ins 18. Jahrhundert hinein bedeutete Konsum für die Masse der Bevölkerung in erster Linie Nahrungsmittelkonsum. Gaben wir 2015 in den EU-27 Staaten durchschnittlich 19 % unseres Einkommens für Ernährung aus, waren es im Hoch- und Spätmittelalter etwa 70 bis 80 %. Lediglich die Herrschenden (und damit Wohlhabenden) konnten und mussten sich darüberhinausgehende Annehmlichkeiten und repräsentativen Luxus leisten. Sie benötigten Dienstpersonal, mussten für Erhalt und Einrichtung ihrer Anwesen aufkommen und hatten sich ihrem Stand entsprechend zu kleiden.

Wir sind, was wir essen
Auch für unsere ca. 19 % Ernährungs-Ausgaben gilt, wir ganz alleine entscheiden was und wir essen (solange wir nicht von offenbar immer mehr umsichgreifenden Nahrungsmittelunverträglichkeiten geplagt werden). Vom 11. bis ins 18. Jahrhundert war es in Europa keine Frage was den Großteil der Ernährung ausmachte. Das Hauptnahrungsmittel war Brot. Heute kauft, wer es sich leisten kann und will, dunkles Brot (samt zugehörigem Lifestyle) im Biomarkt. Damals aber war gerade weißes (Weizen-)Brot den Wohlhabenden vorbehalten. Es war ein Zeichen von Wohlstand und gehobener sozialer Position. Dunkles Brot aus Roggen oder Gerste wurde nur von den ärmeren Bevölkerungsschichten konsumiert.

Auch Fleisch war lange Zeit ein Privileg der Herrschenden und Wohlhabenden (nur während der Fastenzeit war es allen Katholiken verboten), während heute ein Leben als Vegetarier und Veganer ein Statement und kein Armutszeugnis ist. Ein Preisvergleich zwischen Veggie, Vegan und Fleisch lässt außerdem vermuten, dass es heute wohl eher die Wohlhabenderen sind, die sich diesen Lifestyle leisten können. 

Die 1950er – Aufbruch in den Massenkonsum
Aufmerksame LeserInnen vermuten es vielleicht bereits, die Wurzeln der modernen Konsumgesellschaft liegen im 18. Jahrhundert. Mit der beginnenden und zunehmenden Industrialisierung ändernten sich auch Möglichkeiten und Praktiken des Konsums. (Manche ForscherInnen verorten erste ‚Proto-Konsumgesellschaften‘ auch bereits im Italien der Renaissance oder im England des 17. Jahrhunderts). Einigkeit jedenfalls herrscht darüber, dass sich im 19. Jahrhundert immer mehr Konsumpraktiken wie wir sie heute kennen entwickelten, die im 20. Jahrhundert als ‚westliche‘ liberal-kapitalistische Konsumgesellschaft ihre volle Blüte entfalteten.

Westeuropa und damit auch Österreich schaffte in den 1950er Jahren den Aufbruch in den Massenkonsum und zur Massenkonsumgesellschaft. Nachdem die Notzeiten der beiden Weltkriege überstanden waren beflügelte ein massives Wachstum die Wirtschaft, das von 1953 bis in die 1970er Jahre anhalten sollte. Vollbeschäftigung (also weniger als 3 % Arbeitslose), zunehmende Massenproduktion, florierende Importgeschäfte; Man konnte sich mehr leisten und ein immer größer werdendes Angebot versprach – die zugleich entsprechend generierten – Bedürfnisse zu befriedigen.
Staubsauer, Waschmaschinen, Autos, Ananas und Pfirsiche – plötzlich für fast jedermann leistbare Konsumartikel machten das Leben einfacher und vermittelten ein völlig neues Lebensgefühl. Vor allem Westeuropa wurde dabei stark von der US-amerikanischen Konsumkultur beeinflusst. Coca Cola beispielsweise wurde in Österreich 1953 offiziell eingeführt und schaffte es binnen nur drei Jahren flächendeckend verbreitet zu sein. McDonald – um ein weiteres Paradebeispiel zu nennen – begann 1970 seine weltweite Expansion.

Marke und Werbung – wie Bedürfnisse geschaffen werden
Das Auto von VW, BMW, Audi, Renault, Seat,…; Das Duschgel von Fa, Dove, Nivea, Alverde,…Warum entscheiden wir uns unter tausenden von Angeboten letztlich für ein bestimmtes Produkt? Häufig ist die Antwort simpel: Weil wir den Suggestionen der Werbung folgen, weil wir uns meist nicht allein für ein Produkt, sondern für eine Marke entscheiden.
Dabei sind Werbung, Marken und Markenartikel ein relativ junges Phänomen. Die heute milliardenschwere Industrie hat ihre zarten Anfänge im 19. Jahrhundert. Erst seit damals werden Produkte beworben und Marken erschaffen. Zunächst waren es dabei vornehmlich Genusswaren und Kosmetika die auf standardisierte, einheitliche Verpackung setzten. Zu den, auch heute noch bekannten Vorreitern zählten beispielsweise Odol, Nivea oder Maggie.

Fin
Das Thema Konsumgesellschaft verdient und verlangt, um ihm gerecht zu werden, selbstverständlich mehr als einen kurzen Blogbeitrag. Ganze Bücher, ja sogar eine kleine Bibliothek, wäre dazu nötig – die es auch schon gibt. Nichtsdestotrotz wünsche ich den KonsumentInnen dieses Textes: Frohe Weihnachten und viel Spaß beim Shoppen.

Lektüre zum Thema:

  • Franz X. Eder, Konsumieren und Verbrauchen. In: Markus Cerman/Franz X. Eder/Peter Eigner/Andrea Komlosy/Erich Landsteine (Hrsg.), Wirtschaft und Gesellschaft. Europa 1000 bis 2000. (Innsbruck 2011), 279 ff.
  • Manuel Schramm, Die Entstehung der Konsumgesellschaft. In: Reinhard Sieder/Ernst Langthaler (Hrsg.), Globalgeschichte 1800-2010. (Wien 2010).
  • Manfred Prisching, Die zweidimensionale Gesellschaft. Ein Essay zur neokonsumistischen Geisteshaltung. (Wiesbaden 2009).
Martina Nothnagel